Deutsche Telemedien Inkasso GmbH, DTMI

Die „Deutsche Telemedien Inkasso GmbH“ ist eine dieser erstaunlichen Firmen, die die Telefongebühren der ebenso erstaunlichen TV-Hotlines einzutreiben versuchen. In Ländern wie der Schweiz sind die Zeiten von „Mehrwertdiensten“, „Premium Rate Numbers“, „Hard To Reach“ oder wie man horrend teure Telefonnummern sonst noch elegant umschreibt längst vorbei weil verboten.

In Deutschland erfreut sich die Branche dagegen weiterhin großer Freiheit. Selbst das Öffentlich Rechtliche Fernsehen veranstaltet häufig „Gewinnspiele“ für „nur 49 Cent pro Anruf“. Folgend aber eine kleine persönliche erlebte Geschichte samt Schriftwechsel als heiterer Ausflug in die Sprache der erstaunlichen Inkasso-Welt. Falls jemand unter den Lesern mal sein eigenes „Institut“ eröffnen möchte findet er darin sicher interessante Anregungen.

Mein Großvater hatte irgendwann in einer schlaflosen Nacht dem armen TV-Mädchen vor der damals noch neuartigen Rätselwand die Lösung ihrer mäßig schweren Rechenaufgabe zu verraten versucht. Natürlich erreichte er nur ein Band, denn dem Mädchen war alle Mathematik in Wirklichkeit ganz egal und die Sendung wahrscheinlich sowieso nur eine Aufzeichnung.

Die 1,78 Euro Gebühren für diesen Anruf wären mit Sicherheit wie alles andere sofort von ihm bezahlt worden, hätte es da nicht irgendeine heute nicht mehr herauszufindende Besonderheit gegeben. Mehr als zwei Jahre später jedenfalls, mein Großvater hatte inzwischen das Zeitliche gesegnet, schrieb ihm die Deutsche Telemedien Inkasso GmbH, DTMI:

Ãœberfällige Forderung aus der Nutzung der […] über Ihren Telefonanschluss […] abgerechnet von der […] GmbH über Ihre Telekom-Rechnung vom […], Rechnungsnummer […]

Sehr geehrte(r) Frau/Herr […],
trotz unseres ersten Aufforderungsschreibens von vor 2 Wochen wurde die im Betreff dieses Scheibens näher bezeichnete Forderung unserer Klientin ohne Rechtfertigungsgrund nicht beglichen. Damit wurde die Chance vertan, die Angelegenheit schnell, unbürokratisch und kostengünstig zu erledigen.

Ursprünglich belief sich die Forderung auf EUR 1,78. Wie Sie oben abgedruckter Forderungsaufstellung entnehmen können, ist die Forderung gegen Sie aufgrund Ihrer Nichtzahlung mittlerweile auf 42,03 angewachsen.

Bestandteil des weiteren Spezialinakassoverfahrens ist unter anderem grundsätzlich auch eine Meldung überfälliger, unbestrittener Forderungen an Gläubiger-Schutzverbände. Hierzu verweisen wir auf die unten abgedruckten SCHUFA-Informationen.

Weitere Inkassoschritte können unterbleiben, wenn die offene Gesamtforderung von EUR 42,03 bis spätestens zum […] an uns überwiesen wird.

Sollten wir bis zu diesem Zeitpunkt keine positive Reaktion Ihrerseits erhalten, müssen wir weitere juristische Mittel ausschöpfen, um unserer Klientin zu Ihrem – von Ihnen geschuldeten – Geld zu verhelfen.

SCHUFA-Information
Wir weisen darauf hin, dass wir Daten über außergerichtliche bzw. gerichtliche Einziehungsmaßnahmen bei überfälligen und unbestrittenen Forderungen an die SCHUFA HOLDING AG, Kormoranweg 5, 65201 Wiesbaden übermitteln. Soweit nach Übermittlung dieser Information solche Daten aus anderen Vertragsverhältnissen bei der SCHUFA anfallen, können wir hierüber ebenfalls Auskünfte erhalten. Vertragspartner der SCHUFA sind vor allem Kreditinstitute sowie Kreditkarten- und Leasinggesellschaften. Daneben erteilt die SCHUFA auch Auskünfte an Handels-, Telekommunikations- und sonstige Unternehmen, die Leistungen und Lieferungen gegen Kredit gewähren. Die vorgenannten Datenübermittlungen dürfen nach dem Bundesdatenschutzgesetz nur erfolgen, soweit dies nach der Abwägung aller betroffenen Interessen zulässig ist.

Bei der Erteilung von Auskünften kann die SCHUFA ihren Vertragspartnern ergänzend einen aus ihrem Datenbestand errechneten Wahrscheinlichkeitswert zur Beurteilung des Kreditrisikos mitteilen (Score-Verfahren).

Weitere Informationen über die SCHUFA erhalten Sie unter www.meineschufa.de.

Ein fast schon virtuoses Anschreiben! Intensiver kann man innerhalb einer einzigen A4-Seite wohl kaum auf deren Empfänger einwirken. „Aufforderungsschreiben“ ist direkt eine hervorragende, wenn auch auf den zweiten Blick sinnfreie Wortschöpfung. „Rechtfertigungsgrund“ gibt es als Wort eigentlich so auch nicht, drückt aber in seiner Länge so schön auf die Moraldrüse. Und jetzt kommt’s: Wir haben eine Chance vertan! Das erfüllt mit Wehmut. (Und lässt die Erinnerung wach werden an eine Fernsehwerbung für Gedenkmünzen zur Deutschen Einheit mit „garantierter Wertsteigerungs-Chance“, „bestellen Sie jetzt telefonisch!“).

Nun wird nochmal über die Höhe der Forderung informiert und wie sehr sie nur durch unser Fehlverhalten gestiegen sei. Dabei ist es interessanterweise plötzlich doch möglich, spezifische Daten in den Standardtext einfließen zu lassen, bei der Anrede klappte das offenbar nicht.

Jetzt kommt es an der dramaturgisch völlig richtigen Stelle zum fettgedruckten Höhepunkt: Der Wink mit der Keule „SCHUFA“, deren Namen man übrigens immer in GROSSBUCHSTABEN schreiben muss, damit er angsteinflößender wirkt, sowie auf deren „unten abgedruckte“ Informationen. Wer es nicht wissen sollte, die Schufa GmbH ist einfach nur eine von vielen privaten Auskunfteien, die Ihre Daten aus den Handelsregistern abschreiben und ansonsten auf die Informationen Ihrer Kunden angewiesen sind. Schön hier auch der Ausdruck „Spezialinkassoverfahren“.

Im Abgang dann nochmal der Aufruf zur Zahlung mit Betrag und Frist im Fettdruck und die Drohung mit „weiteren juristischen Mitteln“ sowie die interessante Verwendung von Gedankenstrichen für „von Ihnen geschuldeten“ um quasi noch im Weggehen den moralischen Druck ein bisschen weiter zu erhöhen.

Nun folgen im eigenen Belehrungskasten die angekündigten Schufa-Informationen, die an dieser Stelle eigentlich redundant bzw. sachlich unnötig sind. Sie dienen wohl einzig dem Zweck, die Sache noch ein bisschen aufzublasen und möglichst oft das Wort „SCHUFA“ und „gerichtlich“ unterzubringen. Kurioserweise bekommt der Verfasser beim Datenschutz dann doch ein wenig Angst vor der eigenen Courage.

Kurz und gut, einer der Nachkommen schickte in der unschuldigen Hoffnung, man würde daraufhin vom toten Vater ablassen dessen Sterbeurkunde. Doch da kannte er die DTMI und ihre Entschlossenheit schlecht, auch bei Verstorbenen noch 1,78 zuzüglich inzwischen 60 Euro „Inkasso-Kosten“ einzutreiben. Es ist unklar, wie sie ermittelt wurde aber nun schrieb man die Witwe an.

Diese nutzte indes keinen der eifrig jedesmal mit höheren Beträgen vorausgefüllten Ãœberweisungsträger auf den Rückseiten der Schreiben. Vielmehr überwies sie irgendwann einfach 1,78 Euro, inklusive Zinsen großzügig auf glatte 1,95 Euro aufgerundet mit dem Vermerk „Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“.

Dieser Vermerk ist wichtig, denn ohne ihn wird mit der Teilzahlung automatisch auch die Gesamtforderung anerkannt. So aber hätte sich selbst die Deutsche Telemedien Inkasso GmbH vor Gericht wohl nur noch blamieren können (falls nicht schon der Fall;). Es folgten weitere, allerdings schon deutlich weniger enthusiastische Briefe der DTMI und der Spuk aus Köln war vorbei.