TIN – Die bundeseinheitliche Steuernummer kommt

Jeder Bundesbürger bekommt eine eindeutige 12-Stellige ID, die zusammen mit Namen und Adresse zentral gespeichert wird. Ein seit der gescheiterten Volkszählung in den 80ern vergeblich gehegter Traum der Verwaltungen geht nun doch endlich in Erfüllung, gleichzeitig werden die schlimmsten Befürchtungen aller Datenschützer Realität. 82 Millionen Datensätze sind als Datenbank eine Datei von ein paar hundert Megabyte Größe, jeder bessere Heim-PC kann damit heute bequem umgehen.

Der übereifrige Amtschimmel hat damit bald millisekundenschnellen Zugriff auf jeden einzelnen von uns. Der bis dato nicht vorhandene Datenverbund zwischen den Behörden ist damit beschlossene Sache.

Kinderleicht ist die Verknüpfung mit weiteren Daten wie Kontobewegungen, Kreditkarten oder Kaufverhalten, hat sich die TIN erst in allen Bereichen durchgesetzt. TIN bedeutet übrigens „Taxpayer Identification Number“ und ist trotz des englischen Namens keine europäische sondern eine rein deutsche Erfindung (Fast möchte man Denken: „Könnten wir nicht gleich komplett auf Englisch umstellen und die deutsche Sprache ganz abschaffen?“).

Die bundesweit eindeutige Steuernummer ist jedenfalls tief beunruhigend für jeden, der sich ein bisschen mit Datenmodellen auskennt. Aber was soll’s, es gibt kein Entrinnen mehr. Auch wenn man seine TIN aus Protest niemals annähme und sich weigerte, Sie zu benutzen, irgendwann muss man Sie bei jeder Internetbestellung und jedem Bankgeschäft angeben. Endlich ist jeder auch für den Staat nur noch eine Nummer.

Hype 2.0

Inzwischen hat ihn wirklich jedes Lokalblatt schon mehrmals aufgegriffen, den immer noch aktuellen 2.0 Hype. Und wie das so ist mit Hypes, jeder der darüber spricht oder schreibt erfindet ein bisschen was Neues dazu bzw. projeziert seine aus dem Unverständnis geborene Sicht der Dinge hinein.

Las man doch heute in der ansonsten ganz hübschen Doppelseite über weltweite Backbones in der Welt am Sonntag: Jedes Email passiert einen der 13 Root-DNS-Server. Aha, na wenn die Springer-Presse das schreibt muss es wohl stimmen. Die Quatschgrenze ist momentan niedrig und der ganze Quatsch hält sich hartnäckig, seien es völlig frei erfundene Userzahlen von Second Live (Zeitverschwendung 2.0), Gerede über youtube (Millionen von schlechten und immer weniger gute Filmchen 2.0), MySpace (die FASZ nannte es Online-Poesiealbum, zur Abwechslung eine gelungene Umschreibung) oder Xing (totaler Quatsch 2.0). Wie dumm waren übrigens die eigentlich, Ihren Namen zu ändern von Open dingsda. Immerhin werden sie jetzt ab und zu im Zuge des Hypes genannt, Börsengang trotzdem vergiß.

Wenn man von irgendeiner fassbaren Veränderung sprechen kann, die einen neuen, gerne irgendwie zu bezeichnenden Trend ausmacht, dann ist es auf technischer Ebene die plötzlich völlig ungezügelte Nutzung von JavaScritpt, wir nennen es die JavaScript-Explosion. Es ist noch gar nicht so lange her, da hielt man JavaScript für etwas Böses. Das BSI, Bundesministerium für Sicherheit in der Informationstechnik, das schätzungsweise 300 hochbezahlte aber offensichtlich weitgehend ahnungslose Physiker beschäftigt, riet sogar allen Bundesbürgern, JavaScript aus Sicherheitsgründen zu deaktivieren.

Momentan ist allerdings irgendwie nicht die allgemeine Stimmung, in der man mit bedeutungsvoll ins ungewisse ausgesprochenen Warnungen Profil gewinnen kann, wenn auch alle Journalisten, die mal was über Computervieren schreiben sollen irgendwo bei Symantec, Norton oder wem auch immer anrufen und den Quatsch, den man ihnen dort erzäht einfach ungefiltert übernehmen. Im Moment punktet man wieder mehr über Visionen.

Aber zurück zu JavaScript. Der eigentliche Auslöser oder zumindest einer der Väter dieses Trends ist sicherlich der Typ, wie heißt er gleich noch, der bei Google zuerst „Local“ und dann „Maps“ programmiert hat. Der ist einfach komplett wahnsinnig und die Applikation derart genial, dass man seinen Augen nicht traut. Seit wann kann man mit JS das verdammte Mausrad auslesen? Der macht das einfach. Dem Trend von mindestens 3000 Zeilen JavaScript in einer Seite folgend gibt es dann sogar sog. „Obfuscator“, die nichts anderes machen als allen Whitespace zu löschen.

Gleichzeitig werden dank JavaScript die GUIs von Webanwendungen immer ausgefuchster und verspielter, so dass sich bald die GUI-Toolkits der Betriebssysteme warm anziehen müssen. Die Haptik der Webbasierten Anwendungen war interessanterweise immer völlig getrennt vom Desktop, ohne dass User sich groß beschwert hätten. Nun übernehmen Webanwendungen sogar langsam die Führung.

Auf kaufmännischer Ebene verselbstständigt sich der Trend naturgemäß immer mehr, nicht zuletzt angetrieben von Banken und sonstigen Kapitalgebern, die für Online-Krempel plötzlich wieder Geld locker machen. Eifrig polieren alle Ihre Websites auf, versuchen sich einen 2.0-Anschein zu geben bzw. das, was sie dafür halten und hoffen dabei jeden Tag sehnsüchtig auf den Anruf von Google, Murdoch oder wem auch immer.

Die Vision, ich glaube man nannte sie damals ASP bevor eine größere Softwarebude bei Seatle die Abkürzung einfach mal anders belegte, ist rund zehn Jahre nach ihrem ersten Auftauchen langsam gangbar, allerdings erst nachdem Bandbreiten und Client-Rechenleistung sich vervielfacht haben.

Soweit so schön denkt man, vielleicht bleibt ja wie auch bei web 1.0 am Schluss das Sinnvolle hängen und der ganze Quatsch verschwindet von selbst wieder. Leider befinden wir uns aber wie bei allem, was mit moderner Kommunikation zu tun hat zugleich in der Evolutionsstufe der Wegelagerer und Bauernfänger, und zwar so stark wie schon lange nicht mehr. Bei einer Milliarde Nutzern gibt es einfach unfassbar viele Dumme oder Ahnungslose, die es jetzt auszuschöpfen gilt. Diese Industrie blüht richtig, ohne jedes aufgenommene Kapital und in einem Maße, von dem die allermeisten 2.0-Projekt nur davon träumen können.

Dummheit, lass mich los

4 Millionen DSL-Zugänge wurden allein in Deutschland in 2006 verkauft, weltweit sind jetzt schätzungsweise eine Milliarde Menschen online. Endgültig vorbei das schöne Exklusivitätsgefühl mit der der breiten Standleitung. Der „Webworker“, also Code-Schreiber oder Admin, einst heroisch und geheimnisvoll, verliert rapide an gesellschaftlichem Ansehen und nähert sich mit hoher Geschwindigkeit dem Gebrauchtwagenhändler. Die Dummheit ist endgültig angekommen in der schönen neuen Netzwelt, und sie macht sich breit.

Auch wenn es immer wieder zarte Pflänzchen der Kreativität und guten Ideen gibt, den eigentlichen Erfolg haben wie im Fernsehen auch die schlecht gemachten Rätselwände mit den barbusigen Moderatorinnen davor. Online ist schon längst nicht mehr automatisch schön, modern oder gar elitär, im Gegenteil: Würde man gegenwärtig eine schlecht gemachte Seite mit Inhalt „Ãœberweisen Sie mir sofort 10 Euro!“ ins Netz stellen und ordentlich Suchmaschinenoptimieren, bestimmt hätte sie Erfolg.